„Mythos Fischzug" und das „Dampflok-Paradies Lauda“
Der aktuell erschienene 80-minütige Eisenbahn-Film der
RioGrande-Videothek läßt diese Epoche wiederentstehen
Lauda Anfang der 1970er Jahre. Die letzten dienstfähigen Dampflokomotiven ziehen aus anderen Bahnbetriebswerken nach Lauda und Crailsheim. Lauda wird Dampflokzentrum. Im dreiständigen Lokschuppen stehen Nacht für Nacht drei Eisenrösser der Baureihe 023, um am folgenden Morgen pünktlich zum Berufsverkehrszeit eingesetzt zu werden.
Im Jahrzehnt davor tummelten sich noch - wie eine Rückblende im Film zeigt - auf dem gesamten Bahngelände Lokomotiven der Baureihen 064, 050 und 038. Eine Atmosphäre, für die Dampflokfreunde das Wortbild prägten: „Lauda dampft!“
Nun bespannen die letzten 023er noch die Schüler- und Pendlerzüge, gelegentlich auch einen Eilzug. Ansonsten laufen die Schnellzüge auf der Hauptstrecke Osterburken – Würzburg fest unter der Regie der Vorserien-Diesellok V 200. Auch Güterlokomotiven der 050er Gruppe, seit 1972 in Crailsheim stationiert, dampfen noch von Lauda aus zu kleineren Einsätzen vor Nahgüterzügen und Übergaben in Boxberg-Wölchingen, Weikersheim und Wertheim, sowie im Personennahverkehr nach Niederstetten.
Eine Leistung ragte zu jener Zeit deutlich heraus: Die sonntägliche Bespannung des legendären Fischzuges von Würzburg nach Heilbronn. Er verkehrte täglich, und sonntags wurde mit Laudaer Personal gefahren. Besondere Herausforderung dabei: die Elektrifizierungslücke auf dieser Strecke zu meistern.
Der Film dokumentiert: In der Nacht kommt der Güter-Schnellzug SG 5321 aus Bremerhaven an. Eine tonnenschwere Ladung aus Eis und Fischen, bis Würzburg gezogen durch eine Güterzug-E-Lok der Baureihe 151. Nun wartet er auf die Übernahme durch ein Doppel-Gespann: entweder zwei Dampfloks der Baureihe 050 oder die Mischformation einer 023er und einer 050er Lokomotive. Die Nordseefracht mit ihren 1100 Tonnen benötigt dieses Doppel-Gespann für die Fahrt bis Heilbronn. Es gilt, zwei nahezu alpine Steigungen zu bewältigen: vom Maintal bis nach Reichenberg und von Boxberg-Wölchingen bis Eubigheim.
Morgens um 6.24 Uhr startet der Fischzug im Bahnhof Würzburg. Mit mächtigen, noch asynchronen Schlägen schaffen sich die beiden Eisenrösser in einen gemeinsamen Zugrhythmus hinein und jagen riesige Rauchsäulen in den Himmel. Die gewaltige Kraftanstrengung wird im Film spür- und hörbar. Es gilt Fahrt zu machen, denn gleich hinter dem Bahnhof beginnt bereits die weite Rechtskurve nach Heidingsfeld. Bis dahin muss der Laufrhythmus stimmen. Bis zur Mainbrücke müssen die Rösser ihre Höchstgeschwindigkeit (80 km/h) erreichen, um Schwung für den Anstieg hoch nach Reichenberg zu holen. In dieser Steigung hängen dann die beiden schwer arbeitenden Lokomotiven an der Fracht, die ihnen das Äußerste abverlangt. Die Fahrt wird langsamer, die Waggons mit ihrer tonnenschweren Ladung bremsen das Gespann bedenklich. Die vibrierende Arbeit der Lokomotiven und das kraftvolle Ausstoßen des Dampfes machen die Anstrengung sichtbar.
Haben die Eisenrösser den Scheitel erreicht, ist die Hängepartie noch nicht vorbei. Der Fischzug wird erst wieder schneller, wenn auch die letzten Wagen den Brechpunkt überschritten haben. Dann steigt der Tacho wieder auf 45 km/h und erreicht an die 70 km/h. Der Fischzug darf nicht bremsen, mit Volldampf rauscht er durch alle Bahnstationen. Der gleiche Kraftakt wird sich an der Steigung zum Eubigheimer Tunnel nochmals wiederholen. Eine enorme Anstrengung für die Lokomotiven und ihr Personal, aber eine helle Freude für alle Eisenbahnfreunde, die Dampfrösser bei voller Arbeit zu erleben.
Der Film zelebriert diese Szenen in tollen Farbbildern und mit sehr gutem Originalton an unterschiedlichen Standorten zu allen Jahreszeiten.
Die zweite große Stärke dieses Filmes: er ist noch in der Originallandschaft der Dampfzeit gedreht, mit den alten Bahnhofslampen, den streckentypischen Telegraphenleitungen, den blechernen Formsignalen. Noch „verkratzen“ keine Oberleitungsmasten das Bild. Alle Aufnahmen stammen aus dem Original-Geschehen und nicht von nach-inszenierten Nostalgie-Fahrten. Dadurch ist der Film ein echtes Zeit-Dokument, diese Geschichte nochmals nach-zuerleben.
Die DVD trägt zwar den Haupttitel „Mythos Fischzug“, aber die Hälfte ihrer Bilder stammt aus dem Eisenbahn-Geschehen rund um Lauda. In einzelnen Rückblenden werden Züge und Lokomotiven aus den 1960er in voller Aktion gezeigt. Der Würzburger Filmemacher Gerhard Kramer richtet sein Objektiv klar auf die Dampfrösser; nur gelegentlich huscht die Diesellok V 200 durchs Bild. Eine Szene dürfte Dampflokfans besonders erfreuen: im Laudaer Bahnhof schiebt eine 064er den Schnellzug nach Würzburg an, dem sonst durch zusätzlich angehängte Kurswagen die Puste auszugehen droht.
Von den über 45 Jahre alten Filmaufnahmen spannt die DVD den Bogen bis zur Gegenwart. Zu sehen ist das Laudaer Dampflok-Denkmal, dessen Güterzuglok als eines der letzten Originale der Fischzug-Epoche nun nachträglich „geadelt“ wird. Vor diesem passenden Hintergrund erzählen ehemalige Lokführer, Heizer und lokale Eisenbahnfreunde aus ihrer Dampflok-Zeit.
Die DVD ist dadurch ein einmaliges Dokument von 100% Laudaer Eisenbahngeschichte. Ein echter „Eisenbahn-Heimatfilm“, den sich jeder Eisenbahnfreund wie ein Buch zu dieser Epoche ins Regal stellen sollte. Allen Personen, die bei dieser „Perle“ mitgearbeitet haben, gilt daher der Dank, diese Geschichten aus dem Laudaer Eisenbahnleben so lebendig festgehalten zu haben.
Autoren: Albert Herrenknecht / Dr. Dieter Thoma
- Projektgruppe: Regionale Eisenbahn(Geschichte) Boxberg -
Bestell-Information
Mythos Fischzug Sg 5321 – DB-Dampf in Hochform
RioGrande-Videothek Nr. 3032 (www.riogrande.de)
Die DVD ist auch im Bahnhofskiosk in Lauda erhältlich.